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"Fanfiction" laut fanfiktion.de: "Fangeschichten und Gedichte über Charaktere, deren Copyright nicht beim Autor der Arbeit selbst liegt. Eine bereits existierende Geschichte wird von einem Fan derselben weitererzählt, ausgeschmückt oder auch umgeschrieben"
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Über Fanfiction
Fanboy Shakespeare
Fanfiction hat eine längere Geschichte, als wir vielleicht vermuten. Bereits Shakespeare schrieb einige seiner berühmtesten Werke auf Basis von Schriftstücken anderer Autoren. Er nahm einzelne Figuren oder Handlungsfragmente und machte sie sich zu eigen, nutze sie für seine Geschichte oder schrieb sie für seinen Nutzen um. Eine nicht unübliche Praxis von Autor:innen früherer Jahrhunderte.
Der Begriff der modernen Fanfiction reicht zurück ins letzte Jahrhundert. Als offizielle Pioniere der Fanfiction gelten die Fans der Science Fiction Serie Star Trek in den 1960ern. Das Star Trek Fandom publizierte die Fangeschichten in ihren Fanmagazinen.
Durch das Internet erlebte Fanfiction einen wahren Boom und Aufschwung, eigene Websites und Communities entstanden. Veröffentlichung und Austausch waren so einfach wie nie. Mittlerweile beschränkt sich Fanfiction nicht nur auf Bücher und Serien - die Bandbreite reicht von Filmen über Theaterstücke und Songs bis hin zu Fanfictions über Prominente.
Im Gegensatz zu Shakespeare und Co gibt es heutzutage allerdings das Urheberrecht, das Fanfiction zu einem rechtlichen Graubereich macht.
Fanfiction: 50 Shades of Graubereiche
Die meisten Autor:innen dulden Fanfictions, teilweise werden die Hobby-Autor:innen sogar ermutigt. Voraussetzung dafür ist der allgemeinen Konsens, dass mit Fanfictions, die auf den Originalwerken (oder den Persönlichkeiten - hier wird zusätzlich das Persönlichkeitsrecht schlagend) anderer basieren, kein Geld verdient wird.
Graubereiche ergeben sich unter anderem dann, wenn Fanfictions umgeschrieben werden und dadurch das Originalwerk dahinter nicht mehr eindeutig erkennbar wird.
Als prominente Beispiele anzuführen sind hier “50 Shades of Grey” (ursprünglich eine Fanfiction zu “Twilight”) von E.L. James oder auch “After” (eine Fanfiction über die Boyband “One Direction”) von Anna Todd.
Beide Buchreihen werden kommerziell verkauft, mittlerweile sind Verfilmungen auf dem Markt und lukrieren beachtliche Einnahmen. Ohne Probleme, ohne Klagen. Wie ist das möglich?
Künstlerische Freiheiten - Die Gedanken sind frei
Plagiate sind verboten. Eine Umschreibung, Hinzufügung oder anderweitige Umgestaltung fallen unter den sehr weit dehnbaren Begriff der künstlerischen Freiheit. Pastiche, Persiflage und Satire sind sogar unter Bezugnahme und Nennung von Originalen oder öffentlichen Personen erlaubt. Kunst darf nicht alles, aber vieles.
So wäre “Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar.” ein eindeutiges Plagiat. Der erste Satz aus “Harry Potter und der Stein der Weisen” wird 1:1 ohne Veränderung übernommen.
Beginne ich mein Buch jedoch mit “Elisa Brown und ihr Mann Stephen freuten sich jeden Tag, zu den normalen Menschen in der Nachbarschaft zu gehören, sie freuten sich sogar sehr.” wäre es, rein technisch gesehen, weit weg von einem Plagiat.
Prinzipiell gibt es zudem kein Copyright auf Ideen und Konzepte. Time Warner (der Konzern, der mittlerweile hinter der Wizarding World von J.K. Rowling steht) hat gewisse Namen und Begriffe schützen lassen, die nicht ohne Lizenz in anderen Werken verwendet werden dürfen (Achtung, das Urheberrecht liegt und bleibt bei J.K. Rowling, Urheberrecht ist niemals übertragbar, lediglich die Verwertungsrechte). Warner und auch J.K. Rowling besitzen allerdings kein Recht auf die Idee, dass ein Waisenjunge herausfindet, ein Zauberer zu sein und anschließend eine Zauberschule besucht. Das Urheberrecht bezieht sich in diesem Fall nur auf die konkrete Ausgestaltung der Idee.
Im österreichischen Recht wird zudem der Begriff der “freien Nachschöpfung” verwendet. Jede Veränderung eines Werkes bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers, es sei denn, es handelt sich um eine freie Nachschöpfung. Kennzeichnend für eine freie Nachschöpfung ist die Hervorhebung des eigenen kreativen Beitrags. Das Originalwerk dient hier nur als Inspiration für die eigene Leistung. Ist dies eindeutig erkennbar, so muss keine Zustimmung des Urhebers eingeholt werden.
In welchem Ausmaß eine Idee in der Praxis dann doch schützenswert ist und ab wann von einer Urheberrechtsverletzung gesprochen werden kann, ist immer eine Streitfrage und eventuelle Fälle sind dadurch jeweils nur als individuelle Einzelfallentscheidung zu sehen. Ob nun im oben erwähnten Satz Mr. und Mrs. Dursley durch Mr. und Mrs. Brown und den Ligusterweg 4 durch die Tannengasse 12 zu ersetzen ausreichen würde, ist nicht eindeutig festzulegen, da dies auch viel vom Kontext abhängt, in dem der Satz geschrieben wurde. Wie viel wurde sonst noch übernommen, inwieweit stimmt der weitere Handlungsverlauf überein, was ist der Zweck des Geschriebenen? Handelt es sich um einen Fantasyroman oder um eine Parodie? Wird das Geschriebene vermarktet, wird Bezug genommen oder es als komplett eigenes verkauft?
Eine eindeutige pauschale Abgrenzung ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.
Fanfiction als (ver)wilder(ter) Garten
An sich finde ich Fanfictions großartig. Es gibt so viel Potenzial, die Auseinandersetzung mit einem Text, einer Handlung, einer Figur zu zelebrieren oder zu verarbeiten, so viel Potenzial die Lust am Schreiben zu fördern, so viel Potenzial die Kreativität auszuleben und neue Dinge auszuprobieren. Fanfiction ist zurecht ein schwammiger Graubereich, in dem den Schöpfer:innen keine echten Grenzen gesetzt sind. Denn nur durch diesen geschützten Raum probiert man sich tatsächlich aus und fördert Lesen, Schreiben, Talent, Kreativität, Problemlösung, Struktur und Organisation.
Und dennoch ist diese Grenzenlosigkeit und Unmoderiertheit von Fanfiction-Seiten, der freie Raum zur Entfaltung, gleichzeitig auch das größte Manko. Wie ein wilder Garten, der kein Trimmen, kein Schneiden, kein Mähen, Aussaat und Jäten kennt, wo alles durcheinanderwächst, ungeachtet dessen, ob sich die Pflanzen gegenseitig Licht und Wasser wegnehmen, die Bodendecker alles überwuchern, ungeachtet dessen, welch einzigartig hübsche Blümchen sich zwischen Moos und Laub verstecken.
Die Auswahl an Fanfictions ist enorm, und dabei spreche ich bereits von der Auswahl innerhalb eines Fandoms. Sie sprießen und gedeihen unkontrolliert, erdrücken und ersticken, verwelken und verdursten und schon bald ist der Garten der Fanfictions so undurchschaubar und unübersichtlich, dass du dich auf dem Weg zum Edelweiß fünfmal verläufst und schließlich aufgibst, da die Alpenblume nicht aufzufinden ist - auf lächerlichen 50m2.
Eine Frage des Geschmacks
Natürlich gibt es bei Fanfiction auch Suchoptionen, wo du deine Ergebnisse einschränken kannst. Was allerdings wirklich fehlt, ist ein Qualitätsfilter. Ich möchte Fanfictions nicht als Lehrerin in meiner Freizeit lesen und mich gedanklich mehr mit dem Rotstift als mit dem Inhalt der Geschichte befassen. Ich möchte sie zur Unterhaltung lesen. Und ein Mindestmaß an Rechtschreibung, Grammatik, Satzstruktur und Handlungsstrang (wir reden hier noch lange nicht von einwandfreien, perfekten Geschichten!) kann ich auch hier erwarten. Ich erwarte mir ja auch im Laientheater, bei Amateurbühnen nicht die Burg, aber ein gewisses Maß. Wie schon erwähnt, auch solche Geschichten haben ihre Berechtigung, nur durch Übung wird man besser. Ich persönlich möchte sie nur nicht lesen. Sollte jemand mich bitten, zu lesen und ehrlich Feedback zu geben, Korrekturen und Anmerkungen hinzuzufügen, jederzeit von Herzen gerne. Dann sehe ich, dass er:sie sich verbessern möchte und dass es wichtig ist. Doch unaufgefordert scheint das ein No-Go in der Szene zu sein. Sofort fühlen sich Autor:innen persönlich angegriffen und beleidigt, werden abgeschreckt, brechen Geschichten ab oder verfassen “Rants” über manch vermeintlich unfaire Behandlung. Diese passive Wahrnehmung alleine reicht, dass ich mich von meiner Seite niemals darauf einlassen werde und nichts kommentiere und ungefragt befeedbacke.
Nur was ist die Folge? Es gibt zum allergrößten Teil nur gute, positive Kommentare, ja fast Lobeshymnen, sogar (oder sogar besonders) bei den Geschichten, die weder auf einer inhaltlichen, noch einer kreativen oder formalen Ebene auch nur ansatzweise die Chance auf eine positive Note hätten.
Bei mir kommt außerdem noch hinzu, dass ich leider kein Fan von prominenten Ships wie “Drarry” (Draco und Harry) oder “Wincest” (Sam und Dean Winchester) oder “Jimlock” (Moriarty und Sherlock) - you name it - bin. Sowas ist für mich derart an den Haaren herbeigezogen, dass ich hier maximal einen kurzen Sketch, eine überzogene Persiflage genießen kann, doch keine ernstgemeinten Storys.
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Geschmäcker sind freilich verschieden, und das ist auch gut so. Nur für meinen Geschmack ist kaum etwas dabei. Wobei, das glaube ich gar nicht. Auch für meinen Geschmack gäbe es tolle Fanfictions. Ich finde sie nur leider nicht, weil dieser schöne Garten mittlerweile komplett verwildert ist.
Das Fazit der Geschichte: Ich lese weniger Fanfiction als in jungen Jahren, da es mich zunehmend frustriert und sich die Suche nach Perlen sich so mühsam erweist wie die Suche nach dem Heiligen Gral. Nichtsdestotrotz sind Fanfictions eine tolle Möglichkeit für den Literaturunterricht, den Deutschunterricht, Förderung der Schreibkenntnisse, Kreatives, die eigene Lesebiographie und Persönlichkeitsentwicklung.